Der Bezugsrahmen in der Ergotherapie
Eine Berufsgruppe muss ein spezielles Berufsmodell entwickeln, um
- den Beruf gesellschaftlich zu verankern,
- zur Verwissenschaftlichung beizutragen.
Dazu gehört, die Modifikation der aus den Bezugswissenschaften entliehenen Konzepte dahingehend,
dass diese als handlungsleitender Bezugsrahmen in der Praxis genutzt werden können.
Ein Bezugsrahmen ist
- eine Teiltheorie (aus den Bezugswissenschaften), die
- zum einen für die Bezugswissenschaften selbst eine Funktion hat,
- zum anderen tlws. eine handlungsleitende Basis für bestimmte Aspekte in der ergotherapeutischen Praxis liefert.
Die Auswahl der Bezugsrahmen hängt ab von
- der Gegenstandsbestimmung und
- den ergotherapeutischen Grundannahmen.
Die Möglichkeiten die die Bezugsrahmen bieten, sind
- Leitlinien innerhalb eines speziellen Behandlungskonzeptes,
- Bezugspunkt innerhalb ergotherapeutischer Modelle (z. B. entwicklungsorientierter Bezugsrahmen bezogen auf Gruppen);
- Institutionelle theoretische Ausrichtung (z. B. verhaltenstherapeutische Ausrichtung in einer Psychiatrie).
Die Wahl der Bezugsrahmen beeinflusst
- Ergotherapeutisches Modelldenken,
- die Prozessstruktur der Behandlung,
- die Wahl der Mittel / Medien,
- das Clinical-Reasoning.
Unterschiedliche Bezugsrahmen in der Ergotherapie:
biophysiologischer =
- kausales Erklärungsmodell,
- mechanistische Sichtweise,
- die Funktion steht im Vordergrund,
- der Mensch als biophysiologisches System, das immer nach einem Gleichgewicht strebt,
- wird nur partiell herangezogen und zwar dann, wenn es um die Wiederherstellung von Funktionen geht (z. B. Gelenkmobilisation nach einer Sehnenverletzung; Hirnleistungstraining).
biopsychosozialer =
- systemisches Erklärungsmodell,
- ganzheitliche Sichtweise,
- das Wohlbefinden steht im Vordergrund,
- der Mensch als biopsychosoziales System, das immer in einen Kontext eingebunden ist,
interaktioneller =
- humanistisches Erklärungsmodell mit dem Menschen als aktivem, sozialem Wesen,
- das zwischenmenschliche Potential des Menschen steht im Vordergrund,
- der Mensch strebt nach selbstbestimmter Verwirklichung seiner Möglichkeiten durch Wachstum und psychische Entwicklung,
- kommt v.a. in der Arbeit mit Gruppen zum Ausdruck, weil hier Reflexions-, Anpassungs- und Selbsterkenntniss-prozesse in Gang.
Lerntheoretischer / lernorientierter =
- Im Vordergrund stehen die Bedingungen für optimales Lernen,
- behavioristische und kognitive Sichtweise
- der Mensch als grundsätzlich erkenntnisfähiges Wesen,
- kommt v.a. bei neurophysiologischen Behandlungen und bei der kompetenzzentrierten Methode in der Psychiatrie zum Tragen.
Kognitivistischer =
- im Vordergrund stehen Wahrnehmung, Denken und Handeln als Informationsverarbeitungsprozesse,
- der Mensch als Wesen, das sich seine Realität selbst konstruiert,
- der Mensch als eigenverantwortliches Wesen,
- findet Anwendung bei der Kompetenzzentrierten Methode.
Psychodynamischer =
- Tiefenpsychologische Sichtweise,
- Unbewusste Motive und Handlungen stehen im Vordergrund,
- Findet v.a. bei den psychosozialen Behandlungsverfahren Anwendung,
- Mittel und Medien sind hier hauptsächlich die der gestalterischen Aktivitäten;
Entwicklungsorientierter =
- der Mensch als genetisch und umweltbedingt determiniertes Wesen
- im Vordergrund stehen im Vordergrund stehen körperliche, intellektuell emotionale und soziale Fähigkeiten des Menschen,
- findet v.a. in der Pädiatrie Anwendung, wo dem Menschen Möglichkeiten zur Verfügung gestellt werden, sich weiterzuentwickeln.